Und täglich grüßt das Murmeltier


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Die neue konservativ-liberale Regierung Großbritanniens zeigt Europa vor, wie der Krise beizukommen ist. Mit einer kräftigen Steigerung der Mehrwertsteuer und drastische Kürzungen bei den Transferleistungen. Die britische Regierung scheut nicht einmal davor zurück, Menschen mit Behinderungen auf den Prüfstand zu stellen. Das Gesellschaftsbild dieser Regierung spricht damit für sich.

Der britische Schatzkanzler Osborne rechtfertigt die Einschnitte folgendermaßen: “Die Koalition muss das gerade erst erworbene Vertrauen der internationalen Finanzmärkte rechtfertigen. Sonst riskieren wir höhere Zinssätze, höhere Verschuldung, höhere Arbeitslosigkeit.”

Ah ja. Die Politik muss also das in sie gesetzte Vertrauen vor den Finanzmärkten rechtfertigen. Nicht umgekehrt. Kommt einem irgendwie bekannt vor. Als neoliberaler common sense der letzten beiden Jahrzehnte – euphemisch als “Dritter Weg” und “Neue Mitte” lange Zeit leider auch von der europäischen Sozialdemokratie inhaliert.

Diese Erklärung der britischen Regierung kommt nur wenige Tage nach ihrem Amtsantritt. Well, speed kills! Osborne suggeriert der Welt, dass es unmöglich ist, gegen die Übermacht der Finanzmärkte anzukämpfen. Eine politische Bankrotterklärung, weil der Politik die Gestaltungskraft für gesunde Finanzmärkte fehlt? Mitnichten! Hinter den Kulissen geht es allein darum, die Welt wieder zugunsten entfesselter “high performer” auf den Finanzmärkten zurecht zu rücken und deren altbekannte Spielermentalität weiter politisch zu rechtfertigen.

Auch im Deutschland mehren sich die Anzeichen, dass die Reichen noch mehr vom Kuchen haben wollen. Merkel und Schäuble halten eisern an einem umstrittenen “Konsolidierungsprogramm” fest, für das die geringen Einkommen hauptsächlich die Zeche zahlen werden. Der deutsche Finanzminister verkündete ohne mit der Wimper zu zucken fast zeitgleich, wie die Steuereinnahmen fast 20 Prozent über der Prognose liegen und der Arbeitsmarkt überraschend stabil geblieben sei. Könnte man dann vielleicht nicht doch den sozialen Kahlschlag überdenken? Nicht doch. Die FDP findet, es sei Zeit das unverhoffte Geld für Steuergeschenke zugunsten des Mittelstandes zu verwenden. Und der CDU/CSU Finanzsprecher schließt sich dem gleich mal vorbehaltlos an. Ein gerüttelt Maß Chuzpe.

Auch in Österreich nimmt der Zug der Krisenprofiteure wieder Fahrt auf. Seit 2008 sind die Millionäre in unserem Land um 10 Prozent gestiegen. Das legt die Vermutung nahe, dass die so genannte weltweite “Finanzkrise” die bisher größte Von-unten-nach-oben-Umverteilungsaktion der Geschichte war. Und die scheint noch nicht zu Ende zu sein. Denn das Scheineknistern lockt inzwischen auch wieder die ÖVP-Regierungsriege aus der Deckung indem sie mit angsterfüllten Parolen zurück auf den paradiesischen Weg der großen Finanzwelt führen will: “Leute, es geht um euer Überleben. Investiert doch euer Geld in private Pensionskassen!“.

Eine solche Politik ist plan- und verantwortungslos, denn sie beendet nicht den Teufelskreis, sondern hält ihn am Leben. Und täglich grüßt das Murmeltier …

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