
Wenig Show, kaum Inszenierung, dafür umso spannendere Berichte aus der ersten Phase des morgen.rot Projekts, das vor allem der gemeinsamen Bestandsaufnahme, der Selbstkritik und der Ist-Analyse gewidmet war. Gemeinsame Einschätzung: Das Projekt hat – teilweise schmerzhaft – ehrlich und sehr treffend den Zustand in unserer politischen Gemeinschaft beschrieben. Viele Veränderungen drängen sich bereits auf, an vielen Stellen wird bereits mit dem Neuaufbau begonnen.
Albrecht Müller, SPD Urgestein, Wegbegleiter von Willy Brandt und Helmut Schmidt, Buchautor und Herausgeber der Seite www.nachdenkseiten.de , zeigte den größeren Kontext auf, aus dem sich die Krise der Sozialdemokratie erklärt. Obwohl die Sozialdemokratie im Kern über all die Jahre die richtigen Rezepte gehabt hätte, ist sie nun in der Defensive. Und diejenigen die mit neoliberaler Verblendung die weltweite Wirtschaft an den Rand des Abgrunds getrieben haben – sie bestimmen mit ihren immer noch falschen Rezepten weite Teile der öffentlichen Meinung. Die Sozialdemokratie muss für Müller vor allem aufhören, den Eliten gefallen zu wollen, ihre eigene Politik vom Müll der giftigen Politikrezepte der 80er- und 90er Jahre befreien. Stichworte: Zerschlagung der Solidarsysteme, Liberalisierung usw. Nur wenn die SP sozialdemokratische, wertebasierte Politik betreibt, kann sie glaubhaft sein und mit ihren ökonomisch vernünftigen (!) Programmen punkten.
Elisabeth Wehling, Psychologin und Wahlkampfmitarbeiterin von Barack Obama, führte ins Reich der Neurobiologie – und spannte von dort den Bogen zu politischen Konzepten in der Kommunikation. Ein ruhiger, aber umso fesselnder Vortrag, der Lust auf mehr machte. Denn die Psychologie kann der Professionalisierung der politischen Kommunikation enorm dienen und die Qualität des demokratischen Diskurses steigern, indem sie Manipulationen aufdeckt. Wenn auch aus ganz anderer Perspektive als zuvor Müller, betonte Elisabeth Wehling die Bedeutung der wertebasierten Kommunikation. Am Beispiel der Begriffe “Steueroase” und “globale Erwärmung” zeigte sie die Bedeutung von “frames” auf, also von (sehr individuellen) Begriffsverbindungen in unseren Köpfen, die unser Denken und unsere Interpretation von Botschaften weitaus stärker prägen als wir alle glauben.
Fazit: Ein unglaublich spannender, ehrlicher, verbindender und bereichernder erster Abend. So – oder so ähnlich – könnten Veranstaltungen der SP OÖ in Zukunft aussehen. Und mit mehr solchen Anstößen, mit mehr solchen Lernanreizen können wir wieder die Organisation werden, wie sie Albrecht Müller für die 1960er und 70er Jahre beschrieb: Ein Ort, wo man die besten Köpfe, die gründlichsten Analysen und die besten Lösungen fand.